Quereinstieg ins Lehramt – sind Quereinsteiger schlechtere Pädagogen?


Lehrer mit Megaphon


"Piazolo will Quereinsteiger in bayerische Klassenzimmer locken", titelte die Augsburger Allgemeine am 20. Januar 2023. Damit war nicht etwa die von Ministerpräsident Markus Söder angekündigte Anwerbekampagne in anderen Bundesländern gemeint. Nein, das Instrument, mit dessen Hilfe Bayerns Kultusminister Piazolo dem Lehrermangel zu Leibe rücken will, ist der Quereinstieg.


Nicht nur in Bayern wird das ursprünglich als Notbehelf gedachte Instrument zunehmend zur bildungspolitischen Normalität.



Fachliche Voraussetzungen für den Quereinstieg ins Lehramt


Die Voraussetzungen für den Quer- oder Seiteneinstieg ins Lehramt sind von Bundesland zu Bundesland verschieden. Auch werden die Begriffe Quer- oder Seiteneinstieg teils synonym, teils mit unterschiedlicher Bedeutung verwendet.


Gemeinsam ist den meisten Bundesländern, dass Quereinsteigerinnen und -einsteiger unverzichtbar geworden sind. Der Lehrermangel gehört zu den größten Herausforderungen unseres Bildungssystems. Mindestens 23.800 Lehrkräfte werden bis 2035 fehlen, so die Prognose der Kultusministerkonferenz.


In der Regel haben Quereinsteiger zwei für den Lehrerberuf relevante Fächer studiert, ohne ein Lehramtsstudium absolviert zu haben. Eine Voraussetzung für den Einsatz in Schulen ist natürlich auch, dass in den studierten Fächern ein Mangel an regulär ausgebildeten Lehrern herrscht. Welche Fächer Mangelfächer sind, ist von Jahr zu Jahr verschieden. In der Regel sind es die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik). Aber auch Kunst- und Musiklehrer werden häufig gesucht.


Vor dem Quereinstieg besuchen Lehramtsanwärter in der Regel einen Einführungskurs. Weitere Qualifizierungsmaßnahmen erfolgen berufsbegleitend. Zusätzlich werden die angehenden Lehrkräfte von Mentoren unterstützt. Ein berufsbegleitendes Lehramtsstudium ist nicht in jedem Bundesland vorgesehen.



Immer mehr Bundesländer senken die Zugangsvoraussetzungen für den Quereinstieg


Straßenschild - Ende Lehrermangel, Richtung Quereinstieg


Sachsen-Anhalt hat mit seiner Stellenausschreibung vom September 2022 die Zulassungsvoraussetzungen für den Seiteneinstieg weiter gesenkt. Seit September 2022 reicht ein Bachelor-Abschluss, um sich als Quereinsteiger für den Lehrerberuf zu qualifizieren. Der Abschluss muss noch nicht einmal fachspezifisch sein. Selbst wenn sich aus dem Bachelor-Studium kein reguläres Unterrichtsfach ableiten lässt, erhalten Seiteneinsteiger im Anschluss an das Probejahr eine Entfristungsperspektive.


Im Gegenzug verpflichten sich die Aspiranten, eine Qualifizierungsmaßnahme für ausgewählte Fächer der Sekundarschule zu absolvieren.


Zunehmend sehen sich Bundesländer gezwungen, Zulassungshürden für den Quer- und Seiteneinstieg ins Lehramt zu senken. Gründe dafür sind akuter Lehrermangel und der zu erwartende zukünftige Bedarf an qualifizierten Pädagogen.


Wer sich über aktuelle Zulassungsvoraussetzungen der verschiedenen Bundesländer informieren möchte, wende sich direkt an das Kultusministerium desjenigen Bundeslandes, in dem er als Lehrkraft tätig werden möchte. Als weitere Möglichkeit ins Lehramt zu wechseln, bieten mittlerweile viele Universitäten Masterstudiengänge für den Quereinstieg an.


Ist der Quereinstieg der Königsweg, um dem Lehrermangel zu begegnen? Das sehen nicht alle so. Sowohl die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften (GEW) als auch der Philologenverband warnen vor Qualitätsverlusten, wenn immer mehr Lehrkräfte an Schulen unterrichten, die kein reguläres Lehramtsstudium durchlaufen haben.



Sind Quereinsteiger die schlechteren Pädagogen?


Eine im Juli 2020 veröffentlichte Studie mit dem Titel "Unterschiedliche Wege ins Lehramt – unterschiedliche Kompetenzen?" kommt zu einem differenzierten Ergebnis. Fachlich und fachdidaktisch schneiden Quereinsteigerinnen und -einsteiger im Vergleich zu regulären Lehramtsanwärtern nicht schlechter ab. Darüber hinaus zeigen sie mehr Stressresistenz und sind genauso motiviert. Etwas ungünstigere Voraussetzungen haben sie in Bezug auf pädagogisch-psychologische Kenntnisse.


Ob jemand als Pädagoge reüssiert oder nicht, scheint nicht allein – und nicht in erster Linie – vom Bildungsweg abzuhängen.



Welche persönlichen Eigenschaften sollten Lehramtsanwärter mitbringen?


Lehrerin vor Tafel mit gezeichneten Muskeln im Hintergrund


Zunächst sollte sich jeder Lehramtsanwärter klarmachen, warum er oder sie Lehrer werden möchte. Sind es die guten Berufs- und Karrierechancen, das Sozial-Prestige oder die zu erwartende berufliche Stabilität, die zum Berufswunsch geführt haben? Dann fehlt möglicherweise die wichtigste Komponente: das Interesse und die Zuneigung für Kinder und Jugendliche.


Wem Kindergeschrei auf die Nerven geht, wer über die rebellische Aufmüpfigkeit Pubertierender nur verständnislos den Kopf schütteln kann, wer weder innere Stabilität besitzt, noch natürliche Autorität ausstrahlt, der wird es in diesem Beruf schwerhaben – unabhängig davon, ob er als Quereinsteiger oder über ein reguläres Studium ins Lehramt gekommen ist.


Persönliche Eigenschaften, die (angehende) Lehrerinnen und Lehrer haben sollten:


  • Das 4-M-Motto als Grundlage – man muss Menschen mögen.
  • Das richtige Maß an Milde und Strenge, angepasst an die jeweilige Situation.
  • Natürliche Autorität und Selbstsicherheit.
  • Empathie, Kreativität, Offenheit und Toleranz.
  • Solide Fachkenntnisse und Freude an der Arbeit mit jungen Menschen.



Vorurteile und Ressentiments – wie gehen wir miteinander um?


Eierkarton mit missgünstig auf schwarzes Ei blickenden Eiern


Die Erfahrungen, die Lehramtsanwärter als Quer- und Seiteneinsteiger machen, sind sehr unterschiedlich. Ob sie eher positiv oder negativ sind, hängt nicht zuletzt davon ab, wie groß der Anteil von quer eingestiegenen Lehrerinnen und Lehrern im Kollegium ist. An manchen Schulen liegt der Anteil im zweistelligen Prozentbereich. In derart zusammengesetzten Kollegien gibt es in der Regel weniger Ressentiments und Vorurteile als an Schulen, an denen der Quereinstieg (noch) die exotische Ausnahme ist.


Wie gehen wir miteinander um?


Das in der Regel breitere Spektrum an Lebenserfahrung und beruflichen Kenntnissen von Quereinsteigern kann sowohl den Unterricht als auch den fachlichen Austausch im Kollegium befruchten. Deshalb sollten sich gestandene Lehrer und neu hinzu gekommene Quereinsteiger mit Offenheit und gegenseitiger Wertschätzung begegnen. Unterschiedliche Persönlichkeiten sowie Berufs- und Lebenserfahrungen können ein bereicherndes Element bei der pädagogischen Begleitung von Kindern und Jugendlichen sein.




Erscheinungsdatum: 26. Januar 2023

Autor: Csaba Németh

Bildnachweis: Adobe Stockfotos

Quellen: Augsburger Allgemeine vom 20. Januar 2023   und   Deutsches Schulportal der Robert Bosch Stiftung